Zimmer von Chuck O'Bannion ...

Chuck saß auf der Kante seines Bettes.
Starrte etwas gedankenverloren vor sich hin.
Und stand auf, um zu frühstücken.
Immerhin konnte die Welt ja nichts dafür, dass sie so kalt und leer war.

--> weiter bei Tisch 1

-> kommt von See

Erstmal chillen. Chuck legte sich aufs Bett und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
MP3-Player. Billy Talent. Die Musik verdrängte seine wachsenden Aggressionen.

Gegen Abend, als sich der Akku seines MP3-Players zum Ende neigte, bemerkte Chuck, dass wichtige Bestandteile seiner Inneneinrichtung fehlten.
Ein Fernseher und ein Computer zum Beispiel.
Abgeneigt von dem Gedanken, in einem Zimmer ohne diese Elektronik zu leben, machte er sich auf in den Computerraum, um umzugsbereite Computer anzuheuern.

/weiter bei Computerraum

-> kommt von Park

Chuck betrat sein Zimmer. Ordentlichkeit war nie seine Stärke. Aber naja.
Er glaubte, dass Ivy hinter ihm war.

Handy

Hast du Bock bei mir vorbei zu kommen?
Mein Zimmer?

Chuck's Handy klingelte und ihm wurde eine unbekannte Nummer angezeigt.
"Chuck O'Bannion?", meldete er sich.
"Hast du Bock bei mir vorbeizukommen?", fragte eine bekannte Stimme, "Mein Zimmer?"
Ivory.
"Jap, ich begeb mich mal auf die Suche. Bis gleich", sagte er und legte auf.

-> weiter bei Zimmer von Celina Eastwood und Ivory Etienne

-> Zimmer von Ivory Etienne und Celina Eastwood

Er machte die Tür zu seinem Zimmer auf und saß sich aufs Sofa.
Wie leer sein Zimmer doch war. Bis jetzt hatte er nie wirkliche Probleme damit gehabt, jetzt störte es ihn plötzlich.
Ein Teppich fehlte. Und ein Regal. Vielleicht konnte er beides später irgendwie besorgen.

--> Speisesaal

Ivory rannte den Gang hinab und klopfte ausser Atem an Chucks Tuer.
"Kann ich reinkommen?" Fragte sie angestrengt und stuetzte sich dannach auf die Kniee, um Luft zu holen.

Chuck öffnete die Tür, wo ihm eine erschöpfte Ivory entgegenpurzelte.
"Ja, klar, komm rein", sagte er mit einer einladenden Geste, "Was für einen Hochleistungssport hast du denn grad betrieben?"

"Treppensteigen-Flurrennen", hauchte sie nur erschoepft und schuettelte sich.
"Du stehst eher auf moderne Einrichtung?" Fragte sie freundlich, als ihr das fast leere Zimmer entgegengaehnte.

Chuck schloss die Tür.
"Man kann es auch faule Einrichtung nennen", erwiderte er. "In der Jugendstrafanstalt war mein Zimmer nur ein weiterer Raum, wo ich mich aufhalten musste und mir war schon damals nicht danach, es einzurichten."
Dann fiel ihm ein, dass Ivy von seiner Vergangenheit noch nichts wusste.

Ivy sah in besorgt an und setzte sich auf die Bettkante.
"Hey, Chuck", sagte sie leise, "Ich hab dir so manches erzaehlt. Vielleicht erzaehlst du mir auch Mal was."

Chuck seufzte. Im Grunde genommen war es ja egal. Ivy konnte es ruhig wissen.
"Damals war ich erst vierzehn. Und ich hab im Heim gewohnt, wo man es nicht besonders auf Erziehung anlegte. Meine Kumpels waren alle viel älter als ich. Erst nachher wurde mir richtig bewusst, in was für Situationen sie mich reingezogen haben. Irgendwann erzählten sie mir, dass sie noch eine Rechnung mit einem Typen offen hätten. Worum es sich überhaupt gehandelt hat, erfuhr ich nie. Sie fragten mich, ob ich mitmachen würde und weil ich wusste, dass ich eh keine Wahl hatte, sagte ich ihnen zu."
Kurz schwelgte er in seinen Erinnerungen und wünschte sich plötzlich nichts Sehnlicheres als eine Zigarette.
"Am nächsten Tag trafen wir uns wie vereinbart in irgendeiner Seitenstraße, wo wir dem Typen auflauerten... und ihn niederprügelten, bis er tot war. Irgendso ein Spast hat das mitbekommen und die Polizei verständigt. Wir rannten, bis wir in eine Sackgasse kamen. Die Mauer war zu hoch, um sie zu überspringen. Also half ich jedem einzelnen von Ihnen, darüber zu kommen, Räuberleiter. Vier waren das, glaub ich. Weil ich noch klein und dumm war bemerkte ich zu spät, dass ich, als letzter, nicht mehr über die Mauer kommen konnte. >Du packst das schon, Chuck< sagten sie und verschwanden. Und ehe ich mich versah, war die Polizei auch schon hinter mir.
Natürlich hab ich mich zuerst gewehrt, einem Polizist brach ich sogar die Nase (und das bei meiner Größe damals) aber es half natürlich nichts.
Als ich vor Gericht kam, war der Richter nachsichtig mit mir. Meinte, dass ich noch jung und in falsche Kreise hinein geraten wär. Schickte mich vier Jahre lang auf die Jugendstrafanstalt."
Er sah Ivy an.
"Weißt du, ich glaub es hat nichts gebracht.."

"Bringt es jemals etwas?" Ihre Stimme klang bedrueckt.
"Du bist der Erste, der zu mir ehrlich ist. Vielleicht sollte ich ehrlicher zu dir sein. Ich hab dir nicht wirklih die Wahrheit erzaehlt, Chuck." Ivy hielt Inne und sah zum Boden.

Aus irgendeinem Grund starrte Chuck auf Ivys Hände.
"Was für eine Wahrheit?", fragte er mit belegter Stimme.

"Ich bin mir selber nicht sicher, was ich sagen soll. Besser, WIE ich es sagen soll." Sie folgte seinem Blick und starrte auch kurz auf ihre Haende, bevor sie mit eiserner Stimme sagte:
"An dem Tag, an dem ich meine Eltern ermordet habe, sind mehrere Dinge passiert. Meine Eltern wollten immer, dass ich Saengerin werde, weisst du?
Ich war fuer sie wie eine Puppe, sie malten mich an und spielten mit meiner Gegenwart. Benutzten mich. Und sie haben mir alles vorgeschrieben. Die haben mich sogar mit meinem Freund zusammengebracht, ein reicher Egoist.
An diesem Tag sollte ich vor Publikum singen. Es war etwas grosses. Etwas wirklich grosses. Auf einmal kam er hinter die Buehne. Hat sich hingekniet. Und gefragt, ob ich ihn heiraten will.
Ich war zu jung...
Das wusste auch mein Bruder. Er folgte James. Er sah, wie James sich hinkniete, kam und hat ihm eine reingeboxt.
Meine Eltern mussten sie auseinanderkriegen.
"Las dich nicht fertigmachen! Las dir nix vorschreiben, Ivy!" Hat mein Bruder noch gerufen. Er selbst war so unperfekt. Ein Trinker. Ein Dealer. Ich hab ihn abgoettisch geliebt.
Mir seine Worte zu Herzen genommen.
Und als dieser verdammte Vorhang aufging, die kameras auf mich gerichtet, habe ich allen den Mittelfinger gezeigt und bin wieder runter.
Mein Bruder sollte die Strafe dafuer erhalten..."

Eine kurze Pause entstand und kurz wurde Chuck bewusst, dass das Ticken einer Uhr fehlte, um diese Stille aufzufüllen.
"Hat er denn eine Strafe erhalten?", fragte Chuck und empfand Ivys Erzählungen als Anfang eines Horrorfilmes.

Ivy schluchzte.
"Ich konnte sie sehen. Meine Familie, in der ersten Reihe. Ihre Gesichter. Sie sind aufgestanden und gegangen, nur mein Bruder hat applaudiert.
Ihn haben sie mitgezerrt.
Ich wollte nicht mit ihnen nach Hause. Auf keinen Fall.
Es hat geregnet, ziemlich stark, aber ich bin durch den Monsun, der nunmal auch in Singapur icht fehlt, gelaufen.
Als ich zu Hause ankam..." Sie schluckte, "Habe ich die Tuer ganz vorsichtig aufgemacht. Wollte keinen aufwecken. Aber ich musste es tun.
Gekreischt, hab ich. Ich hab mir die Seele aus dem Leib gekreischt. Mein daemlicher Vater, mit seiner verdammten Jagdwaffe!
Und meine dumme Mutter, die mit Blut versprenkelt darstand und ganz zufrieden Laechelte.
Mein einziger Trost in dieser Familie... war tot." Sie sah kurz zur Decke und dann wieder zu Chuck.
"Mein Vater hat mir gedroht. Mit Folter. Erpresst. Ich sollte nichts sagen, oder sie wuerden 'Onkel Arndy' zu mir hochschicken, der Vater von James, der nur auf junge Maedchen hinaus war.
Eingesperrt.
Die haben mich eingesperrt, in meinem Zimmer, und es wurde langsam dunkel. Ich kann mich noch an diesen heftigen Regen erinnern. Dann kam mir die Idee. Ich oeffnete mit grosser Muehe mein fenster.
Davor war ein Balkon, darunter mehr Fenster. Ich bin raus, und wieder rein. Im Wohnzimmer schlief mein Vater ahnungslos, wie immer, auf dem Sofa.
Die Waffelag da immernoch.
Sie hatten wohl vorgehabt, mich bei moeglicher Flucht zu erschiessen. Aber so laeuft das nicht. Nicht mit mir..."

Chuck legte tröstend seinen Arm um Ivy.
Ab jetzt verbot er sich, jemals wieder schlecht über sie zu denken... und empfand Hass für Ivys Eltern. Dass sie ihren Bruder, ihren eigenen Sohn, getötet hatten, nur um sie zu verletzen. Das war unmenschlich.
Chuck wartete, ob Ivy weitererzählen würde...

Ivy lehnte sich gegen ihn und blinzelte.
"Und dann... hab ich auf ihn gezielt. Das Gewehr hat unerwartet laut geklickt und er ist aufgewacht. Ist aufgestanden.
Ich hatte panische Angst, stand da, allein, mit diesem riesigen Gewehr.
'Leg das wieder hin, Ivy, wir wollen doch nicht, dass hier jemand verletzt wird.' Das hat er gesagt. 'Seh dich nur an. Du, mit deinem verrueckten Blick. Erzaehlst, du koenntest Geister sehen. Kein Wunder, dass du auf einmal hier stehst und mich erschiessen willst.'
Ich hab angefangen zu heulen.
'Wo ist mein Bruder?! Wo ist er?!'
Mein Vater zeigte in die Kueche. Tatsache. Da lag er.
Und ploetzlich... stand er da. Einfach so. Zwischen mir und meinem Vater.
'Tu es', hat er gesagt, 'Toete diesen Egomanen! TU ES!'
Und ich hab's getan. Sein Blut... ist mir... ins Gesicht gepritzt. Die Explosion war ohrenbetaeubend, der Rueckschuss hat mich gegen die Wand knallen lassen.
Meine Mutter, ja, meine idiotische Mutter, kam runter.
Ist zu ihrem Mann gerant. Hat mich nicht einmal beachtet.
Dann drehte sie sich langsam um und sah mich einfach nur hasserfuellt an.
Ich hab...
geschossen.
Noch einmal.
Sie fiel auf ihn drauf.
Dann..." Ihre Augen wurden trueb, "Hab ich mich draussen uebergeben.
An den Rest kann ich mich nicht erinnern.
Die Polizei sagte, ich habe sieben Polizisten ermordet. Und meine Familie mit einem Messer zerschlitzt. Aber ich KANN mich daran nicht mehr ERINNERN."
Gefrustet schlug sie auf die Matratze.

"Vielleicht ist das ja besser so", murmelte Chuck, dann klingelte überflüssigerweise sein Handy. Als er den Namen auf dem Display erblickte, drückte er den Anruf weg.
"Ich werde hier gestalkt", erklärte er zwinkernd und steckte das iPhone seufzend wieder weg.
Er erinnerte sich an die Leute in der Jugendstrafanstalt.
Unter ihnen hatte er sich wohl gefühlt, weil es alles Jugendliche wie er gewesen waren.
Ivory dagegen konnte er nicht zuordnen. Er konnte ihr den Titel "Verbrecherin" einfach nicht zuschreiben, genauso wenig wie "Psychopathin" oder "Verrückte".
Chuck sah sie als normales Mädchen an, ein Mädchen mit einer etwas schwierigen Vergangenheit.

"Du musst mich nicht verstehen, sagte sie nur und seufzte.
"Es reicht schon, ueberhaupt weiter mit mir zu reden, nach dem du gehoert hast, was passiert ist."

Chuck sah sie an. Oh mein Gott, sie hatte violette Augen...
"Es gibt keinen Grund, dich irgendwie anders zu behandeln", sagte er dann mit fester Stimme, "Ich glaube nicht, dass du verrückt oder psychopathisch bist."

"Das ist...
Nett von dir." Bemerkte sie sein Gestarre irgendwann und kommentierte dann:
"Ehm, die Augen- sind deswegen so, weil man durch die laengeren Pupillen besser die Etagen erkennen kann, also Tote von Lebenden ausseinanderhalten..."
Sie verlor sich irgendwann in den Worten und starrte ihm in die Augen.